Kirchliche Stellungnahmen

Gedanken von Jürgen Löprich, Pfarrer der evangelischen Versöhnungs-Kirchengemeinde in Iserlohn:

Herr, erinnere mich daran, wie kurz mein Leben ist. Und dass meine Tage gezählt sind, damit ich
erkenne, wie vergänglich mein Leben ist.
(Psalm 39,5)

Unsere Lebenszeit ist begrenzt! Normalerweise machen wir uns das nur in Ausnahmefällen bewusst. Meist leben wir in den Tag hinein, als stünde uns unendlich viel Zeit zur Verfügung. Erst dann, wenn Krankheit und Alter oder der Tod eines nahestehenden Menschen uns nahekommen, wird uns deutlich, dass unser Leben und unsere Zeit ihre Grenzen haben, dass unsere Tage gezählt sind.

Der Gedanke an die Endlichkeit des Lebens kann mich niederdrücken, lähmen und uns blockieren. Und so ist gerade die eigene Endlichkeit für viele Zeitgenossen ein regelrechtes Tabuthema. Die Einsicht, dass meine Tage gezählt sind, kann aber auch positive Kräfte entfalten. Denn sie kann mich dazu bringen, bewusster und verantwortungsvoller mit meiner Zeit umzugehen. Sie lässt mich mein Leben als etwas Wertvolles begreifen und mich andere Schwerpunkte und Ziele setzen. In diesem Zusammenhang erlebe ich immer wieder, wie hilfreich und entlastend es für Angehörige und Freunde ist, wenn bei einem Trauerfall dieses Thema im Vorfeld zur Sprache gekommen ist, wenn Gedanken über Sterben und Tod nicht beiseitegeschoben und verdrängt, sondern zugelassen wurden, wenn Ängste und Wünsche ausgesprochen werden konnten. „Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben … kann uns trennen von der Liebe Gottes“, schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief im Neuen Testament. Dieser Glaube will dazu verhelfen, das Leben wertzuschätzen und zu lieben. Dieser Glaube will dazu ermutigen, die Endlichkeit und Begrenztheit des Lebens anzunehmen. Dieser Glaube will das Vertrauen schenken, dass ich im Leben, im Sterben und darüber hinaus von Gottes guter Hand gehalten und in seiner Liebe geborgen bin.

Worte von Johannes Hammer, Pfarrer des kath. Pastoralverbundes Iserlohn:

Wir wohnen nur zur Miete

Gegenüber einer Mietwohnung hat ein eigenes Haus zweifelsohne einen Vorzug: Aus den eigenen vier Wänden kann mich niemand vor die Tür setzen! Mit dem Leben ist das anders. Wir wohnen auf dieser Erde nur zur Miete.

„Wir sind nur Gast auf Erden“, heißt es in einem alten Kirchenlied (Gotteslob 656). Die Bibel lässt da keine Zweifel. „Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle
Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein“, heißt es im Markusevangelium (Kap. 13,24–37). Klar, Gott ist in diesem Gleichniswort der Mann, der auf Reisen geht. Sein Eigentum, das ist mein konkretes Leben, und der Diener, der dafür Verantwortung trägt, das bin ich. Und wohlgemerkt, das geht nicht ewig so, das Ganze ist eine Sache auf Zeit. Wir leben und verhalten uns oft anders. Wir leben und verhalten uns oft so, als ob wir für immer auf dieser Erde zuhause wären. Sterben, das ist noch weit weg. Sterben, das ist eine Sache für die ganz alten Menschen oder für die Todkranken. Auch wenn uns vom Verstand her klar ist, dass noch kein Mensch für immer auf der Erde geblieben ist, gefühlsmäßig leben – wenigstens nach außen hin – viele Menschen so, als ob der Tod sie nie betreffen könnte. Höchstens die anderen, aber nicht mich!

Natürlich können wir nicht jeden Tag an das Sterben denken. Aber es ist wichtig, sich ab und zu bewusst zu machen: Wir wohnen auf dieser Erde nur zur Miete. Der Tod nahestehender Menschen führt uns das eindringlich vor Augen. Das Zur-Miete-Wohnen auf der Erde wird einmal zu Ende sein. Es liegt daher nahe, sich auf diese Situation vorzubereiten. Im Evangelium fasst Jesus das zusammen in dem Ausruf: „Seid wachsam!“ Seid wachsam, weil niemand so genau weiß, wann sein Mietverhältnis hier auf der Erde aufgekündigt wird. Ich kann vieles in meinem Leben exakt planen, den Zeitpunkt meines Sterbens gewöhnlich nicht. Ich kann sagen: Heute ist Sonntag, Montag, Dienstag …! Das berührt mich wenig. Denn dieser Sonntag, Montag, Dienstag … ist einer von vielen. Ich kann aber auch sagen: Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens. Das berührt mich schon. Denn das macht mir deutlich: Mein Leben ist begrenzt, ich wohne hier nur zur Miete. Es kann plötzlich alles anders werden. Und dementsprechend verhalte ich mich auch: nicht oberflächlich, sondern verantwortungsbewusst, entschieden, mit Tiefgang, eben: wachsam und in der Hoffnung, dass der Tod ein
Durchgang zu einem neuen, von Gott geschenkten Leben ist.